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Mein Name ist Magdalena Margarethe.

Geboren 1689, Generation II

 

Geboren wurde ich in Krombach, im Kreis Aschaffenburg. Als Kind der Sünde. So habe ich es wohl auch verdient, mein Brot mit harter Arbeit zu verdienen. Und in der ständigen Angst, eine zu sein, wie sie meine Mutter war.

Sie sagen, sie war die Buhlin des Teufels. Ließ sich von ihm verführen und brachte mich zur Welt.

Nun, wenigstens hat man bis jetzt noch kein Teufelsmal an mir entdeckt. Sonst hätten die Bauersleute mich wohl kaum aufgenommen.

Als die Seele meiner Mutter durch das Feuer befreit wurde, erbarmten sie sich. Seither stehe ich in ihrer Schuld, die ich täglich abarbeiten muss.

In das Wohnhaus darf ich nicht hinein. Die Bäuerin fürchtet sich doch ein wenig vor mir.

Aber das ist mir gleich. Denn die ständige Kälte, die auch im Sommer kaum nachlässt, ist im Stall nicht gar so schlimm.

Lange werde ich auch nicht mehr bleiben können, denn sie haben mich dem Sohn des Kürschners versprochen. Der zahlt ihnen eine Ablösung, für die Ausgaben, die sie mit mir hatten. Der Kürschnersohn wird sonst wohl keine Frau bekommen. Er stinkt und ist nicht ganz richtig im Kopf.

Sie sagen, das kommt von den Dämpfen, mit denen sie das Leder gerben.

Aber ich will ihn auch nicht haben. Das wird ein elendes Leben sein.

 

Viel lieber würde ich von hier fort gehen.

Es sind schon einige gegangen, in die Länder weit im Osten.

Viele gingen heimlich, in der Nacht. Denn die Lothringer bewachen die Straßen. Sie wollen keinen gehen lassen. Arbeitende Hände werden hier gebraucht.

Doch hier ist auch mit Arbeit kein Auskommen zu haben. Die Armut ist groß. Und der Hunger auch. Denn die Kälte herrscht schon seit Jahren, und lässt das Korn auf den Feldern nur noch kümmerlich wachsen.

Der dreißig Jahre währende Krieg, auch wenn er nun schon lange vorbei ist, hat vieles zerstört.

Der schwarze Tod hat vielen das Leben genommen.

Und die dauernde Kälte lässt die Leute nicht alt werden.

Sie sagen, das ganze Unglück kommt, weil die Weiber es mit dem Teufel halten. Wie meine Mutter.

Doch auch wenn sie im Feuer sterben musste – mir war sie eine gute Mutter. Soweit sie das sein konnte. Auf den Höfen hat sie hart gearbeitet.

Und wenn der Bauer sie ins Heu gezwungen hat, wagte sie es nicht, sich zur Wehr zu setzen.

Sie sagte, so empfing sie mich. Nicht vom Teufel.

Aber ich werde niemandem erzählen, dass meine Mutter eine gute Frau war. Die Inquisition darf niemand anzweifeln. Denn im Feuer will ich nicht enden.

 

Auch meine Mutter wäre lieber weg gegangen, in den Osten. Oft hat sie mir erzählt, was sie von den Ciganen auf dem Markt gehört hat. Von warmen Sommern und grünen Feldern. Und für jeden so viel Land, um eine Familie ernähren zu können.

Damals, als die Kaiserlichen die Muselmanen zurückgedrängt hatten, sind viele der Soldaten im Ungarenland geblieben und haben Höfe und Land erhalten. Um Familien gründen zu können, hat der Herzog von Württemberg aus jedem Dorf eine Handvoll Mädchen hingeschickt, damit sie sich mit den Soldaten vermählen sollten. Auf Schiffen die Donau hinunter sind sie geschickt worden. Mädlesboote wurden sie genannt.

Meine Mutter wäre auch gegangen, wäre sie nur geschickt worden.

Als ich etwa sechs Jahre zählte, haben die Habsburger die Osmanen in die Flucht geschlagen. Nun werben sie armes Volk vom Rhein und vom Bodensee, um die Grenzen dort zu sichern und Höfe zu bewirtschaften.

In dem Monat, als die Bauern mich dem Kürschner geben wollen, begegnet mir der Kilian, der Hambach. Jung ist der nicht mehr. Er sagt er sei im Jahr 1678 geboren.

Der Hambacher sagt, er würde mich als sein Weib nehmen, wenn ich will.

 

Das würde ich gerne tun, wenn ich könnte. Denn der Kilian wäre mir schon lieber als der Dummkopf von Kürschnersohn.

Und der Bauer streicht schon zu oft des Abends um den Stall herum und schaut mich an wie ein Stück Vieh. Da ist es mir gerade recht, dass der Kilian dem Bauern ein gutes Sümmchen bietet, wenn er mich haben kann. Ihm gebe ich lieber meine Hand, als dem anderen.

Und sollte der Hambacher dann in den Osten gehen, ist mir das gerade recht.

Lieber in den Sümpfen der Osmanen am Fieber sterben, als in Krombach im Feuer.

 

Doch es sollte noch dauern, bis wir wirklich gehen können...

Erst wird geheiratet. Im Jahr 1704, als ich gerade 15 Jahre zähle.

Die drei ersten Geburten stehen unter einem bösen Stern. Die Kinder sterben bei der Geburt. Unsere erste Tochter, Christina wird im Jahr 1704 geboren. Sie wird ein langes Leben haben und bei ihrem Tod 58 Jahre zählen.

Drei meiner Kinder verliere ich noch im Kindbett bevor wir sie hätten taufen können. Doch wir hätten auch gar nicht gewusst, wie wir sie hätten ernähren sollen. Es ist kalt, die Saat geht kaum auf. Die Winter sind hart. Sie kosten vielen Neugeborenen das Leben.

Peter, der uns 1710 geboren wird, soll einer der Ältesten im Dorf sein, wenn er mit 74 Jahren sterben wird.

Wieder sterben drei, mag auch sein, dass es vier sind, meiner Neugeborenen ungetauft.

Bis im Jahr 1718 Maria Juliana geboren wird. Am 18. 6. 1718 lassen wir sie in der Kirche von Krombach taufen.

Nach zwei Fehlgeburten überlebt Eva kaum ihre Taufe im Jahr 1727.

 

 

Nun endlich entschließt sich der Kilian aufzubrechen. Er hat all seine Habe verkauft und will sich an der Donau einschiffen, um im Osten sein Glück zu machen.

Prinz Eugen von Savoyen ruft auf, sich in Ulm einzufinden, wer die Armut satt hat.

Die Reise würde aus der Staatskasse bezahlt werden.

Mit Zillen auf der Donau, bis ins fruchtbaren Ungarenland.

Die Ablöse können wir bezahlen, und haben noch einige Gulden übrig, weil Kilians Bruder ihm die Erbschaft auszahlt.

 

 

Die Reise mit den Ochsenkarren ist beschwerlich.

 

Immer wieder müssen wir zu Fuß gehen, damit die Karren im schlammigen Boden besser vorankommen. Die Kinder weinen viel, es gibt kaum Proviant.

Aus den Dörfern gesellen sich mehr und mehr Landlose zu uns. Bis wir endlich in Ulm ankommen.

Dort gibt es karge, aber freie Verpflegung, die Kranken werden leidlich versorgt. Und wir lassen uns registrieren..

Die Ulmer haben Zillen gebaut, die sonst für den Warentransport auf der Donau nach Wien benötigt werden. Diese sind nun mit einfachen Verschlägen ausgestattet. Es braucht einiges an Mut, sich den leichten Booten anzuvertrauen. Und sie werden bis zum letzten Winkel beladen, mit Aussiedlern und deren wenigen Habseligkeiten.

Alle wollen sie dem Hunger und der Kälte entkommen.

Wochen gehen ins Land, bis wir in Wien ankommen. Zwar ist für die Verpflegung gesorgt, aber es lebt sich mehr schlecht als recht auf den engen Zillen. Es stinkt erbärmlich.

Die Kinder halten mehr schlecht als recht durch. Sie können sich kaum bewegen. Von Wien geht es weiter nach Budapest. Wieder werden wir registriert.

Dann endlich bis ans Donauknie.

Je weiter wir die Donau hinuntergefahren sind, desto wärmer wird es.

Und hier, wo sich der Fluss nach Süden wendet, ist es schwül, die Ufer sind sumpfig.

Die Boote werden entladen und eines nach dem anderen abgebaut, um das Holz für die neuen Dörfer zu verwenden.

Einfache Lager werden aufgeschlagen, bis am nächsten Tag die Kammerer der Grundbesitzer die Siedler auf die ihnen zugewiesenen Hofstellen verteilen.

Wer einige Gulden hat, kann eine der verlassenen Hütten erwerben.

Ein Stück Land bekommt ein jeder. Aber kaum genug, um eine Familie davon zu ernähren.

Viele bleiben direkt am Donauknie, oder zumindest doch in der Nähe des Flusses.

Sie werden es noch bitter bereuen.

Das Fieber trifft die Menschen immer wieder und die Muselmanen haben sich zwar zurückgezogen. Aber sie warten nur.

Kilian und eine Handvoll anderer Siedler will weiterziehen. In die südlicheren Berge, in die kleine Siedlung mit dem Namen Dorog. Dort soll es zwar kühler sein, aber dafür gibt es  kein Sumpffieber.

In Begleitung einiger kaisertreuer Soldaten ziehen wir nach Dorog und finden dort Brot und Unterkunft. Wenn auch als Tagelöhner hier nicht viel Reichtum zu machen ist.

Doch noch sind wir nicht endgültig angekommen. Der Kilian ist kein sesshafter Mensch. So einige Dörfer lernen wir kennen, bis wir am Ende unserer Reise in Csolnok ankommen werden.

 

Noch eine Tochter bringe ich 1735 zur Welt. Margarete. Sie ist bei ihrem Tod 2 Monate alt. Wir haben sie in Dorog beerdigt.

Kilians Entscheidung, nicht in der Donauebene zu bleiben, erweist sich als Glück.

Im Jahr 1738 sind die Osmanen zurück und brennen die neuen Siedlungen nieder.

Doch die kaiserlichen Truppen sind auch dieses Mal siegreich. Sie schlagen die Türken in die Flucht. Sie werden nicht wieder kommen. ..

 

Mehr und mehr Siedler kommen jetzt aus dem alten Reich. Auch ihnen versprach man, den Stand der Tagelöhner verlassen zu können, und hier im Ungarenland Grund und Boden erwerben zu können.

Denn wer in der alten Heimat wenig besaß, kann in Ungarn mit einigen Gulden Land erwerben.

Wer nichts besaß, aber arbeiten kann, wird es oft dennoch schaffen, sich Besitz zu erwerben.

Mein Leben in Ungarn ist nicht leicht. Die Arbeit hört niemals auf.

Ich sterbe am 12. April 1740 mit 51 Jahren. Ich kann mich nicht beklagen. Wäre ich in Krombach geblieben, so wäre es mir sicher schlechter ergangen.

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