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           Flad, Magdalena.  Geboren 1720, Generation III

 

 

Mein Vater, Vitus Flad, nennt mich Magda. Unsere Familie stammt aus dem Ort Beuren, der zu Mengen gehört. Schön soll es dort gewesen sein, an der Donauaue, ganz in der Nähe des großen Bodensees. Mein Vater kam dort am 22. 3. 1686 zur Welt und wurde dann in Hundersingen bei Herbertingen getauft.

Viel erzählt er nicht, von seiner alten Heimat.

Nur dass Beuren dem Kloster Heiligkreuztal gehörte und die meisten Bauern für das Kloster gearbeitet hatten. Aber zu essen gab es kaum etwas. Außer für die Mönche.  Und dass er im Jahr 1710 nach Ungarn kam Um dem Hunger zu entkommen.

Ich wurde schon in Dorog geboren. Meine Mutter Katharina kenne ich nicht. Sie starb im Kindbett, als ich noch ganz klein war. Da hat der Vater sich dann eine andere Frau genommen. Eine aus dem Dorf. Eine Witwe, die selbst schon 2 kleine Kinder hatte. So hatte er dann eine, die meine Schwester Katharina und mich versorgen kann.

 Ich kenne nur Dorog. Hier bin in aufgewachsen, hier wohnen wir auch noch, als der Peter Hambach um meine Hand anhält. Ich bin neunzehn Jahre alt, und mein Vater drängt schon lange darauf, dass ich endlich gehen soll. Zwar helfe ich in den Gärten und versorge die Tiere während die  Stiefmutter den Haushalt macht. Aber das kann im Grunde die Stiefmutter auch alles allein machen. So alt ist sie noch nicht.

Die anderen Geschwister und Stiefgeschwister sind schon aus dem Haus.

Das Land und die Tiere geben nicht so viel her, dass es für mehr als zwei Leute reicht.

Also stehe ich am 1. Juni 1739 mit dem Peter vor dem Altar und komme unter die Haube.

Das soll mir recht sein. Als alte Jungfer will ich auch nicht enden. Die anderen Mädchen, die schon ihr erstes Kind geboren haben, lachen mich aus und meinen, es wird höchste Zeit für mich.

Darum machen wir kein großes Aufhebens darum und ich werde mit dem Peter vermählt.

Mit ihm gehe ich nach Csolnok. Dort wird er das Haus und den Hof seines Vaters Kilian erben. Dafür werden wir die beiden Alten versorgen.

Seine Schwester, die Maria Juliana ist kaum älter als ich. Auch sie heiratet dieses Jahr. Den Berhard Schäfer. Von dem halte ich nicht viel. Aber sie hat wohl sonst keine andere Möglichkeit.

Wir helfen uns gegenseitig, denn beide sind wir praktisch ständig schwanger oder liegen im Kindbett. Als Frauen haben wir es nicht leicht. Doch jammern hilft nicht – es geht uns allen gleich.

Die Namen meiner Kinder habe ich alle aufgeschrieben. Für den Fall, dass nicht alle übrig bleiben und die anderen in Vergessenheit geraten.

 

Thomas, geboren und gestorben 1740.

Anna Maria, geboren 1741, gestorben 1812.

Anna Elisabeth geboren und gestorben 1743.

Christina  geboren 1746, gestorben 1775 ,

Margarete  geboren 1748, gestorben mit nur 2 Jahren 1750

Margarete, geboren kurz nach dem Tod ihrer Schwester 1750. Gestorben noch im Kindbett.

Magdalena geboren 1753, gestorben im Jahr darauf.

Antonia geboren und gestorben 1755.

Peter geboren 1758, gestorben 1814.

Magdalena geboren 1761 gestorben mit 2 Jahren 1763.

 

So sind mir von meinen 10 Kindern am Ende nur drei. Doch auch Christina musste 15 Jahre vor mir gehen, mir nur29 Jahren. Bei der Geburt ihrer zweiten Tochter Eva. Nachdem ihre erste Tochter Salome 2 Jahre zuvor nach nur 7 Tagen starb.

Meiner Freundin und Schwägerin Maria Juliana sollte es nicht anders ergehen. Auch von ihren vielen Kindern blieben ihr am Ende nur wenige.

So manches haben wir überstanden: Die Pest, die noch im Jahr meiner Hochzeit ausbricht, löscht viele Familie aus. Doch kurz darauf kommen neue Siedler aus der alten Heimat.

Die räuchern die Häuser aus und gründen ihre Familien.

Die Raizen, die in den Wäldern lauern und die Bauern töten, um sich für ihre Vertreibung zu rächen.

Das heißt, vertrieben wurden diese Slaven nicht. Danz im Gegenteil. Auch sie waren rund um Budapest angesiedelt worden. Doch hatten sie bei weitem nicht unseren Fleiß und Ehrgeiz, die Felder zu bewirtschaften.

Und so verkauften sie die heruntergekommenen Häuser und Höfe für wenige Gulden an uns Schwaben. So wurden wir erfolgreiche Bauern. Und die Raizen erfolglose Tagelöhner, die vor lauter Neid nun den Bauern auflauerten. Doch bald waren aus sie vertrieben, von den kaiserlichen Soldaten. Die sollten dafür sorgen, dass nur jene bleiben, die auch Steuern zahlen. Und das sind eben die Schwaben.

Mehr und mehr Steuern werden wir zahlen. Mehr und mehr Frondienst müssen die Männer leisten. Bis es irgendwann zu viel wird. Im fernen Budapest stehen die Bauern gegen ihre Herren auf.

Viele werden getötet. Doch am Ende gewinnen sie die Freiheit. Wohl hat es auch damit zu tun, dass die Kaiserin und ihr Sohn Joseph Schulden haben, und die Höfe den Grafen überlassen. Die treiben keine Fron ein, wohl aber Abgaben.

Die kleinen Leute wird man niemals in Ruhe lassen.

Als ich 65 Jahre alt bin fegt ein Feuer über Csolnok.

Wieder wird es leer im Dorf. Viele der Familien gehen nach Dag oder nach Leanyvar.

Einige kommen wieder. Und aus der alten Heimat kommen auch wieder viele Schwaben.

Noch vor meinem Tod, im Jahre 1790 werden in Csolnok 311 Familien mit 1567 Personen in 268 Häusern wohnen. Das Dorf scheint wieder neu belebt zu werden.

Doch das werde ich nicht mehr erleben.

               

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